Gestern mit Slawek in einem Lokal auf der ulica Piwna gewesen und viel Kaffee getrunken. Slawek arbeitet in einem eigens ins Leben gerufenem Projekt-Büro, dass die Pläne schmiedet, wie Danzig in 2016 Europas Kulturhauptstadt werden könnte. Oder, besser gesagt: Einer von beiden Kulturhauptstädten, denn wenn jetzt schon fest steht, dass eine der beiden Städte eine polnische sein soll, so wird die zweite in Spanien liegen.
Beworben hat sich eine illustre Runde von polnischen Städten: unter anderem Warschau, Lódz und Lublin. Krakau nicht, wie Slawek erleichtert erzählte, Krakau war bereits vor einigen Jahren Kulturhauptstadt.
Nun also sitzen die klügsten, kulturversiertesten Köpfe dieser Städte in ihren Büros und erarbeiteten Konzepte, nicht nur, welche Festivitäten statt finden könnten, sondern wie die Kulturlandschaft ihrer Stadt langfristig bereichern könnten. Eine anspruchsvolle Aufgabe. Als man uns den ersten Kaffee serviert, erscheint es mir jedoch ein Kinderspiel. Danzig müsste doch eigentlich automatisch als Sieger hervorgehen, alles andere wären Formalitäten. Noch Kaffee zwei oder drei stellt sich alles als sehr viel diffiziler heraus. Wenn für mich, als Deutsche, Danzig ganz klar eine starke, kulturelle Konnotation in sich birgt - nicht zuletzt dank Günter Grass - so sieht es in den polnischen Köpfen ganz anders aus.
In Polen, erzählte Slawek, hätte Danzig einen politischen, geschichtlichen "Beigeschmack", mehr als alles andere. Natürlich gäbe es berühmte Autoren wie Chwin oder Huelle, die sich in ihren Werken mit dem Phänomen Danzig auseinandersetzten, aber ganz die jüngste, politische Vergangenheit Danzigs könnten sie nicht übertünchen. Überhaupt, die Einstellung der Danziger selber: Sie selber sähen ihre Stadt am kritischsten. Nichts würde hier passieren, nichts sich verändern, nichts spannendes hervortreten.
Ich verwehrte mich gegen diese Darstellung von Danzig. Hätte ich für mich selber drei Städte innerhalb Polens aufzählen müssen, die ich am stärksten mit Kultur in Verbindung bringe, Danzig wäre hundertprozentig unter ihnen gewesen. Kultur ist mehr als Tanz, Theater, Konzerte. Kultur ist die Gesamtheit aller Phänomene einer Stadt, und von denen hat Danzig wahrlich genug. Und dass Politik und Geschichte mit hinein spielen, ist nicht abträglich, sondern die Basis von all dem.
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Hallo Sabrina,
AntwortenLöschenKulturhauptstadt Danzig? Ein phaszinierender Gedanke!
Wird eine Entscheidung tatsächlich durch die jüngste politische Vergangenheit negativ beeinflusst? Oder sind bestimmende Faktoren nicht in Danzig selber auszumachen? Warschau, Lublin, Lodz: polnische Städte, eindeutig polnisch gepägt. Danzig weist eine etwas andere Geschichte auf, ganz sicher jedoch genauso spannend und kulturell ungeheuer reich.
Kultur heißt auch Geschichte, es ist Geschichte. Praktisch alle jüngeren polnischen Danziger zeigen heute keinerlei Berührungsängste wenn es um die Vergangenheit geht, im Gegenteil, sie interessieren sich für das was einst wirklich war. Sie entwickeln auch eine eigene Danziger Identität, die Voraussetzung dafür ist, sich des kulturellen Erbes anzunehmen und es zu adaptieren. Aber ist diese Bereitschaft in allen Bevölkerungsschichten generationsübergreifend vorhanden?
Meine Vermutung ist, dass die anderen bewerbenden polnischen Städte mit mehr Elan, mit mehr innerer Überzeugung, mit mehr historischem Bewusstsein an dieses Thema, an diese Herausforderung herangehen Ich hoffe, ich täusche mich.
Viele Grüße
Wolfgang
Danzig ist eine eher "kühle" "politische" Handels und Seefahrer Stadt, genauso wie Hamburg.
AntwortenLöschenWenn es um Kultur in Polen geht, dann sind Städte wie
Lodz, Waschau, Krakau, Lublin usw.
eindeutig vor Danzig.
Um mal paar Namen zu nennen...
Wajda, Lem, Milosz, Szymborska, Chopin, Szymanowski, Witkiewicz, Wyspianski, Polanski, Kieslowski usw. und so fort.
In Deutschland ist es genau so, um mal Weimer oder Bayreuth zu nennen...Und da wird Hamburg nicht mithalten können, auch wenn sie 100 Theater bauen.