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Donnerstag, 3. September 2009

Leibhaftig

Wie blind man für einen Text werden kann! Heute habe ich einen Teil jenes Textes wiedergelesen und ein weiteres Mal korrigiert, der mich bereits seit über einem Jahr begleitet - mein erster Roman. Auch er mit einem polnischen Thema: Schlesien, zwei Zeitebenen, zwei miteinander verflochtene Reisen. Eine doppelte Vertreibungsgeschichte, der Teufel, der leibhaftig umgeht, und einer Protagonistin in der Jetzt-Zeit, die sich nach dem Tod ihres polnischen Großvaters von Schlesien nach Galizien durchschlägt, der Keimzelle ihrer Familie.

Ich kenne jedes Wort, kann im Kopf jeden Satz beenden, den ich anfange, zu lesen. Es ist kein Text mehr, die Sätze zerfasern in Worte und die Worte in Silben. Ich höre ihn mehr, fühle ihn - ganz stofflich - als dass ich seinen Sinn begreife. Das ist der Punkt, an dem der Schriftsteller den Text aus der Hand geben sollte. Ein ganz eigenartiges Gefühl. Als würde man ein Kind vor der Zeit in die Welt hinaus schicken.

Gleich morgen früh werde ich ihm ein paar Brote schmieren, einen Apfel und ein Stück Schokolade mit auf den Weg geben, ihm noch einmal übers Haar streichen, bevor ich langsam die Tür hinter ihm schließe. Jeder Abschied tut weh. Wie gut, dass es da etwas neues gibt, dass langsam in mir gedeiht und immer mehr Gestalt annimmt.

Sonntag, 9. August 2009

Nur in deinem Kopf

Vorgestern im Theater gewesen, gestern im Atelier von Ines. Einmal eine monologische Vorstellung der Geschichte des Theater mit Shakespeare-Versatzstücken, einmal eigenwillige Kohlezeichnungen von Grenzsteinen und Genitalien...
In beiden Fällen, sichtbare Kunst, nach außen getragene Konzepte, die visuell (natürlich nicht nur) rezipiert werden können - für einen kleinen Moment hat mich der Neid gestreift, und der aberwitzige Gedanke, zum Telefon zu greifen und Herrn S. in P. anzurufen und kundzutun: Das mit dem Schreiben über Danzig habe sich erledigt, nun werde Danzig gemalt und performativ dargestellt.

Diese Idee habe ich dann rasch wieder verworfen, und doch blieb ein bittersüßer Nachgeschmack. Als Schriftsteller ist man hauptsächlich allein. Natürlich, man kann im Café schreiben, aber das ist es nicht. Die Ideen und Texte bleiben bis zuletzt, und schließlich auch nach ihrer Fertigstellung, nur alleine erfahrbar. Im Kopf.
Um es dort auszuhalten, in den Monaten des Schreibens, muss man es sich bequem dort einrichten. Trotzdem bleibt es nicht aus, dass man es früher oder später nicht länger aushält, im eigenen Kopf.
Heute plane ich die Stadt- und Kopfflucht, raus ans Meer. Vielleicht gelingt es mir.