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Dienstag, 18. August 2009

Rückeroberung der Stadt

Der Jarmark ist vorüber, endlich!
Gestern ging ein spürbares Aufatmen durch die Stadt, als die letzten Stände abgebaut wurden, der letzte Dreck weggefegt wurde, und die Schausteller sich gepflegt in den kleinen Parks hinter der Marienkirche betrunken haben. Ein unglaubliches Gefühl: Man geht die Langgasse hinunter, und hat tatsächlich freien Blick auf die Fassaden und das Pflaster vor seinen Füßen, kein Neon-Plastikspielzeug mehr, keine Frauenunterwäsche in Übergrößen, kein Billig-Makeup mehr, keine Wadenmassierer und Lendenwärmer aus Schurwolle und auch kein Silberschmuck mit giftgrünem Bernstein...

Auf dem Weg zur Post - fast schon gehört er zu meinen täglichen Ritualen, einmal, weil der Platz vor der Post tatsächlich einer meiner Lieblingsplätze ist, und zum zweiten, weil man es in Deutschland mehr als gut mit mir meint - bin ich zwei Obdachlosen begegnet, die in ausgedienten Kinderwägen ihre Habseligkeiten vor sich her schoben. Das war auf der ulica Straganiarska (weil ich mir in letzter Zeit einen Spaß daraus mache, alle Straßennamen auf ihre vormalige Benennung zu untersuchen: es handelt sich um die ehemalige Häkergasse).

Während des anschließenden Spaziergangs habe ich diese heimlichen Gestalten auf beinahe allen Straßen der Innenstadt gesehen: Auf Bänken, in Pärken, Bürgersteigen. Sie haben mich gerührt, in gewisser Weise ging von ihnen eine heilige Friedfertigkeit aus. Und das beruhigende Gefühl: Sie gehören zu Danzig, sind nicht eingespeister Tand, sondern Danziger, Mitmenschen. Einer hatte in seinem Einkaufswagen sein Bettzeug ordentlicher gestapelt, als ich es jemals getan habe.

Dienstag, 4. August 2009

Bravo Milord

...gerade schiebt ein Obdachloser sein vollbepacktes Wägelchen unter meinem Fenster vorbei, ich beuge mich hinaus und höre ihn singen: Laissez-vous faire, Milord, venez dans mon royaume.
Er trägt ein fadenscheiniges, mit Muscheln besetztes Goralen-Hütchen, seine Stimme füllt mein Zimmer aus. Überhaupt: Danzigs Gesicht in einem Park, 100 Meter vom brodelnden Stadtzentrum entfernt. Während des morgendlichen Kaffees habe ich innerhalb von zehn Minuten mehrere Menschen beobachtet, die hintereinander denselben Mülleimer untersucht haben. Einer hatte eine besonders ausgefeilte Technik: Mit einem langen Stab durchwühlte er auch die Glas- und Altpapiercontainer.

Im Park, in einem dichten Wacholdergebüsch, wohnt außerdem ein schwarzer Kater. Ich beobachte ihn dabei, wie er sich von alten Damen mit alten Brötchen füttern lässt. Ich glaube, es geht ihm gut. Vorhin ist er über den Rasen gejagt, einer Phantom-Maus hinterher.

...und noch etwas, was ich nur im Blog schreiben kann, in einem Roman kämen sofort Beanstandungen, wie konstruiert und klischiert das Bild wäre: Ebenfalls während des morgendlichen Aus-dem-Fenster-Starrens wurden drei Schornsteinfeger gesehen. Sie gingen über die Straße, einer bückte sich und versuchte den schwarzen Kater anzulocken. Der Kater erstarrte und verschwand im Wacholder. Die anderen beiden Schornsteinfeger lachten.