Dienstag, 20. Oktober 2009

Fort

Es ist der zwanzigste Oktober und draußen ist jeder Bezugspunkt verloren


Montag, 19. Oktober 2009

Genius loci

Am Freitag also die Lesung auf dem mitost-Festival in Danzig. Zwölf Seiten Stadterzählung und eine Stille im Raum, dass ich die Leute in der ersten Reihe atmen hören konnte. Nach der eigentlichen Lesung dann eine Diskussion, die länger als der erste Teil dauerte: Jeder hatte eine Frage loszuwerden, generell zur Literatur oder zu Danzig, aber auch ganz speziell zum Schreiben, meiner Aufgabe in Danzig, Pflichten und Freiheiten, dem Stipendium.
Selten habe ich bei fremden, aber auch bei eigenen Lesungen eine so offene und heitere Atmosphäre erlebt. Es war großartig, danke!

Die Lesung wie das Festival fanden in den Räumen des Kino Neptun in der Langgasse statt, allein schon der Ort hat viel versprochen: die ausladende Eingangshalle, der Aufgang, und schließlich die kleineren, mit Einzelsesseln ausgestatteten Kinosäle. Und draußen, vor den Fenstern: Die berühmten Giebel der ulica Dluga...
Ein, zwei Mal ist meine Aufmerksamkeit während des Lesens nach draußen gerutscht, auf das kalt-nasse Pflaster der Langgasse, bis vor das Rathaus und den Neptun geschlittert (das Wetter hatte sich am Freitag wieder beruhigt - dennoch hatten die Gäste, die von Deutschland aus mit einer Fähre nach Danzig übersetzen wollten, nach Helsinki ausweichen müssen!) und erst dann wieder zurückgekehrt.
Genius loci!

Agnieszka saß ganz tapfer zwischen den Zuhörern, in der hintersten Reihe, so dass wir am Ende zusammen auf ein Bier gehen konnten.
Vorbei am Hohen Tor, der Peinkammer und dem Gefängnisturm (es nieselte, und überall spiegelte sich das orangene Licht der Straßenlaternen), in Richtung des Altstädtischen Rathauses, in dessen Kellergewölbe sich ein Irish Pub befindet. Beim Bier daran denken, dass oberhalb, vor über 300 Jahren, Johannes Hevelius nicht als Bierbrauer, sondern als Ratsherr saß...
Das Rathaus ist das einzige Gebäude, das in jenem Bereich Danzigs nicht zerstört wurde. Die Kontinuität dieses Gebäudes hat denn auch etwas wundersames! Nur an das Guinness muss man sich gewöhnen.

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Ahnung

Ohne dass ich es hätte erklären können, überkam mich bei meinem ersten Besuch in der Nikolaikirche (kosciol Sw. Mikolaja) ein sonderbares Gefühl der Beklemmung.
Am Ende der Swietojanska-Straße gelegen, hatte ich nur ein paar Schritte gehen brauchen, um sie zu erreichen - leicht schräg der Marienkirche gegenüber liegend, bildet sie das Gegengewicht zu dieser monumentalsten aller Kirchen.

Und dabei hätte ich allerlei Grund gehabt, mich für die Nikolaikirche zu begeistern: Nicht nur ist sie die älteste Kirche in Danzig - im 12. Jahrhundert erbaut! - , sondern noch dazu die, die als einzige im Krieg völlig verschont geblieben ist...
Neben einem wunderbaren Sterngewölbe weist sie außerdem eine originale, frühbarocke Ausstattung auf, völlig ausreichend also, um eine Architekturbegeisterte wie mich zu entzücken. Aber dennoch blieb es beim Fremdeln, so dass ich rascher wieder hinausging, als es mir ähnlich sähe.

Und dann erneut ein Treffen mit einer alten Danzigerin, diesmal im Café Ferber, zu einem ausgiebigen und sehr innigen Gespräch. Kurz bevor der Milchkaffee ausgetrunken war, erzählte sie mir, dass nachdem ihre Häuser 1945 zerstört wurden, hunderte von Danzigern über einen Monat lang in der Nikolaikirche Unterschlupf gefunden hatten - oder eher: darben mussten. Viele Kinder zogen es vor, auf dem Boden zu schlafen, weil die Bänke spärlich gesät und hart waren.

Heute werde ich nochmals in die Kirche gehen und sehen, wie es mir dieses Mal ergeht.

Dienstag, 13. Oktober 2009

Radio

....und heute um 18:15 auf Radio Trójka: ein Interview mit mir samt Autorenporträt...

Mitost. Lesung

Am Freitag um 20 Uhr werde ich Rahmen des mitost-Festivals eine Lesung veranstalten mit Texten aus der Stadterzählung, die hier in Danzig neben dem Roman entsteht. Ort der Lesung ist das Festivalzentrum in der Ulica Dluga 57, in der dritten Etage.


Hier der Link zum Festival: www.mitost.org

Unwetter

Gerade hat es mich auf dem Weg nach Hause, auf der ulica Piwna, beinahe von der Straße gefegt - heftige Windböen, die einige der Stoffbahnen, mit denen die Gerüste der Marienkirche ummantelt sich, abgerissen haben, Möwen, die um Haaresbreite an den Giebeln im Flug vorbei getaumelt sind - und dann plötzlich einsetzender Hagel, Regen, Schnee, alles auf einmal, und in der Ferne: Donnern.

Hinter der Marienkirche, irgendwo bei der Grobla, sah ich eine Pfütze, die veritable Wellen schlug. Die Giebelhäuser von der Johanniskirche bis zur Nikolaikirche: Grau in Grau, die vorbeieilenden Leute in buntem Regenzeug die Gesichter nach unten gerichtet.
Gleich werde ich nochmals aus dem Haus gehen - nass bin ich sowieso - um zu sehen, was die Mottlau macht, und wie die Speicherinsel im Sturm aussieht. Aus irgendeinem Grund erfüllen mich Unwetter mit einem Hochgefühl. Es tut sich was!

Montag, 12. Oktober 2009

Wasserstand. Milchkannenbastei

Es gibt nichts Schöneres, als dick eingemummelt in einen warmen Wollpullover an der Motlawa entlang zu spazieren...
Gestern nachmittag, die Sonne schien fahl durch ein paar Wolken hindurch (ich glaube, ich habe den einzigen Sonnenstrahl des gestrigen Tages erwischt) habe ich mich aus der Wohnung also losgerissen und bin dem Fluss gefolgt.

Der Wasserpegel ist merklich gestiegen! Und noch mehr als das: Schwaden von grüner Entengrütze haben sich in die Wellen hinein geschoben und färben den Fluss, schwappen gegen die Schiffsbuge (auf der Mottlau herrscht reger Verkehr - neben dem obligaten Piratenschiff liegen hier zur Zeit mindestens drei andere Schiffe, weiß und glänzend versprechen sie sonnige Tage auf See - oh: schon jetzt, das erste Mal, Wehmut nach dem Sommer).

Und dann doch nur bis zu der Milchkannenbastei gekommen, weil ich mich bei ihr, wie so oft, festgestarrt hatte. Jedes Mal, wenn ich hier vorbei komme, stelle ich mir vor, wie es wohl wäre, in dem Fachwerk-Zimmerchen zu schreiben, das die beiden massiven Türme miteinander verbindet...

Ganz entschieden eines meiner heimlichen Lieblingsgebäude in Danzig. Ich dachte, es stünde leer, dann hat mir jemand gesagt, es seien Büros darin gewesen, zumindest bis dato, jetzt überlege man anscheinend, den Komplex zu verkaufen. Natürlich: Die Fensterchen der Bastei sind winzig klein, die Zimmer nicht nur gekrümmt, sondern auch dunkel...
Nichtsdestotrotz. Ein Ort mit großartigem Potenzial, ich hoffe, es wird genutzt!