Montag, 28. September 2009

Herbst, langsam

Es wird nun immer kälter.... gestern Abend habe ich zum ersten Mal mein wollenes Jäckchen angezogen, damit ist wohl der Herbst offiziell eröffnet. Dabei ist es tagsüber ganz erstaunlich warm gewesen, wie ein letzter Gruß des Sommers. Ich bin sehr gespannt, was mich nun erwartet. Ich warte noch immer auf die Auswechslung meiner
(Holz-)Fenster, die man mir versprochen hat. Es bleibt spannend...

Heute übrigens eine authentische Danzig-Erfahrung der etwas anderen Art: Ich muss zum Zahnarzt. Irgendwelche Empfehlungen?

Samstag, 26. September 2009

Frei

Seit längerem endlich wieder ein dreistündiger Spaziergang... wahllos quer durch Wrzeszcz, wunderbare Straßen und Gassen habe ich entdeckt, bis ganz nah heran an den Waldrand. Oh ja, hier würde ich mir ein Plätzchen zum Leben und Wohnen suchen, wenn ich länger bliebe!
Der Geruch von Stein und Wald liegt hier in der Luft, Katzen, die lautlos durch die Gärten huschen, kleine Kneipen, die man auf den ersten Blick gar nicht als solche erkennt: Weil sie in einer Garage sind, in einem Gartenhäuschen...
In einem Zimmer mit Parkett und Erker würde ich wohnen, und den Schreibtisch so nah wie möglich ans Fenster heran schieben, bis ich fast die Kastanie, die vor meinem Fenster wüchse, berühren könnte...

Als mich vor einem Monat der Berliner Rundfunk gefragt hat, ob ich mich schon in Danzig verliebt hätte, musste ich rumdrucksen und nach Worten suchen. Heute würde die Antwort anders lauten: Ja, ich habe mich verliebt - aber nicht in Danzig, sondern in Wrzeszcz!

Donnerstag, 24. September 2009

Zweierlei

Es gibt einen Grund, warum meine Spaziergänge und Streifzüge durch Wrzeszcz und die Untere Stadt in letzter Zeit etwas abgenommen haben (dennoch hat es gestern zu einem Bier in Nowy Port gereicht, unerkannt war ich, Polin - nicht aufgesetzte Stadtschreiberin, noch dazu aus Deutschland): Es gibt wahrhaft viel zu tun.
Von dem Blog sei keine Rede, nur soviel zu meiner Tätigkeit: Die Stadterzählung, von der ich neulich ein Fragment im Blog veröffentlichte, ist nicht das Hauptwerk, für das ich hier in Danzig recherchiere! Die Stadterzählung ist Beiwerk, eigentlich bin ich hier für den Roman. Dass mir das genannte und noch mehr soviel Zeit raubt, dass ich nurmehr zum recherchieren und konzipieren komme, ist nun jetzt einmal so.
Ich kann es selber kaum erwarten, endlich mit dem eigentlichen Schreiben zu beginnen. Allerdings: Es würde mich nicht wundern, wenn ein gewisser Abstand zu Danzig und seinen Gestalten dazu notwendig wäre. Danzig, ich habe es immer wieder gesagt, ist weder so einfach noch so gefällig, wie es sich in seiner Altstadt gibt.

Neue Dichter braucht das Land

Grzegorz Kwiatkowskis Augen blitzen im Licht der Spätsommersonne. Es ist das Blitzen der jüngsten, polnischen Lyrik: Kwiatkowski ist in Polen kein ganz unbekannter Name mehr - die Presse titelt: das enfant terrible der jungen Literatur - er hat bereits mehrere Gedichtbände herausgegeben und veröffentlichte in den wichtigsten Zeitungen Polens.

Ab und zu treffen wir uns zu einem Kaffee, reden über Romane und Lyrik, und es ist mir eine Ehre, erste Übersetzungen aus seinem rasant wachsenden Werk in meinem Blog vorstellen zu dürfen.
Hier also zwei Gedichte (die Originale sind im polnischen Blog zu finden), und ganz bald wird hier ebenfalls das e-book seines neuesten Bandes zu finden sein. Seine Homepage befindet sich hier: kwiatkowski.art.pl.


Künstler

beim Spaziergang am Fluss erblickte er eine Nymphe
im weißen Gewand mit Tang durchwirkt

gleich ist er nach Hause gerannt um Leinen Farben Pinsel zu holen
und kam an den Fluss zurück wo er bis zum Abend mit Blicken fischte

die Bewohner des Städtchens wunderten sich sehr über ihn
doch er sah, wie sie fünf Zentimeter über dem Wasser schwebte

das Bild wurde in der Sankt-Georgs-Kirche in Tinben aufgehängt
wo man es bis zum heutigen Tag bestaunen kann:

Maria Himmelfahrt
Gemälde aus dem Jahr 1680
Künstler: unbekannt


Ersatzlicht

es ist offensichtlich
dass man schreiben sollte über einen Stein einen Baum
die Form eines Hauses oder das Gesicht der Mutter

wenn ihr in den Gedichten
über Miłosz Pollock Rimbaud und Kafka lest
wisset, dass der Autor ein literarisches Solarium besucht hat

auf dem Schild des Solariums heißt es:
"Ersatzlicht für alle "
"besonders förderlich für Künstler also Ungeliebte"

Sonne wurde durch Druckfarbe verdeckt
Spaziergänge durch Beschreibungen der Landschaft ersetzt
Liebe verwandelte sich in billige Romanzen

es ist offensichtlich

Dienstag, 22. September 2009

Die neue Grundlage

Eigenartigerweise sagt mein neuer Teppich etwas über den Roman aus... nun traue ich mich kaum mehr, ihn zu betreten.

Parallel

Egoistisch sind Romane, egozentrisch und geizig an Aufmerksamkeit. Allein ihre Planung verschlingt jeden Nerv und jeden Gedanken, die Gedanken über Struktur und Aufbau sind die letzten, die ich abends hege, und morgens die ersten, die mich bestürmen.

Jetzt, wo es sehr konkret wird, ich an einzelnen Szenen und ihrer Konzipierung arbeite, muss ich mich zwingen, mein Browserfenster zu öffnen und zu meinem Blog zu finden. Auch das Schreiben der Stadterzählung fällt zurück, dafür füllt sich mein Heft mit den Aufzeichnungen zum Roman...

Gleich morgen früh aber werde ich einige Minaturen verfassen, noch bevor mich die Gedanken an den Roman ereilen. Denn dann fressen sie Inspiration, vertilgen sie restlos, nähren sich an ihr, werden fett und reifen.
Es ist eine gute Zeit.

Montag, 21. September 2009

Traumwelten

Heute nacht hatte ich einen eigenartigen Traum. Ich träumte, ich sei in Danzig unterwegs, irgendwo in der Innenstadt, vielleicht auf der Szeroka, und plötzlich hörte ich Leute, die "Feuer!" schrieen, hörte Fensterscheiben bersten, Häuser in sich zusammenbrechen. Ich ging schneller, plötzlich war ich in eine Rauchwolke eingehüllt, Stimmen um mich herum, laut war es, Explosionen überall, und der einzig klare Gedanke, den ich fassen konnte, war: Ich muss unbedingt ans Krantor und gucken, wie es ihm geht.

Als es endlich ruhiger wurde, bin ich die Szeroka hinuntergeeilt, hinab an die Motlawa, und für einen Moment durchzuckte mich der Gedanke: Wie dumm von mir, wer wusste schließlich schon, ob die Explosionen schon ein Ende hatten?
Die Straße um mich herum war verwüstet, ich erkannte sie kaum wieder, da war nur dieses diffuse Traumgefühl, zu wissen, wo man war, ohne dass man es sah. Durch den Rauch hindurch sah ich die Mauern des Krantors, nur waren sie viel zu klein, viel zu klein...

Dann bin ich aufgewacht. Das erste, was ich tat, war ans Fenster zu springen und mich rasch zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist und gut. Es war alles in Ordnung und gut. Vielleicht sollte ich aufhören, vor dem Einschlafen ein Geschichtsbuch über Danzig zu lesen. Ich muss Danzig vor meinen Träumen schützen.