Sonntag, 13. Dezember 2009

Es weihnachtet sehr




Übermorgen also das offizielle Ende meiner Zeit in Danzig. Ein großer Wunsch von mir, bevor ich Danzig verlasse, ist heute noch in Erfüllung gegangen: Es hat endlich, endlich angefangen zu schneien!

Auch das etwas, was man vermissen wird: Sonntag vormittags bei Pellowski auf der Dluga sitzen und Kaffee trinken. Und dieses Mal - wenn jemand die Tür öffnete und hereinkam - sogar mit Sicht aufs Schneetreiben vor dem Rathaus.

Es sei also dem Winter diskret mitgeteilt, dass ich, obwohl am Dienstag die Lesung statt findet, tatsächlich noch bis zum Wochenende in der Stadt bin - so viele Gelegenheiten, noch ordentlich Schnee über der Stadt auszuschütten!

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Herder

Kaum mehr als eine Woche in Danzig ist übrig von meiner Zeit!
Das Ende ist schon in Sichtweite, bereits gestern habe ich einen Vortrag im Herder-Zentrum über meinen Aufenthalt, meine vielfältigen Aufgaben und Tätigkeiten hier vor Ort gehalten.
Nächste Woche Dienstag ist dann die offizielle Abschluss-Veranstaltung: Um 18 Uhr im Nowy Ratusz, Sala Herbowa, es wird allerhand Ansprachen geben, ein Gespräch samt kleiner Lesung.

Zeit, die Monate hier, und das, was sie mir gebracht haben, Revue passieren zu lassen. Im Hochsommer bin ich hier angekommen, im Winter verlasse ich diese Stadt.
Ich kann mich glücklich schätzen, hier genauso viel (und noch mehr) von dem gefunden haben, was ich in Danzig erwartet habe: Substanz, Vielfältigkeit, interessante Menschen mit faszinierenden Schicksalen und Familiengeschichten.

Ja, auch wenn ich die Stadt (architektonisch wie geografisch) mir so genau wie möglich angeeignet habe, sind es doch die Menschen, die Danziger, die ich am Wenigsten aus dieser Zeit missen möchte.
Von ihnen geht Inspiration aus. Auch den Hintergrund, die Stadt, werde ich vermissen. Dennoch ist es gut, sich von ihm zu entfernen, um ihn vor meinem geistigen Auge wieder zu erschaffen. Distanz ist unabdingbar für den Schaffensprozess.

Montag, 7. Dezember 2009

Malbork





Am Wochenende eine kleine Stadtflucht hinaus zur Marienburg. Schon lange stand das auf dem Plan und wollte nun, kurz vor der Abreise, noch erledigt werden...
Dezember-Grau vor dem Zugfenster, die Scheiben waren ganz beschlagen vom Atem der Leute im Abteil, wie durch ein Wunder bin ich dann doch am richtigen Bahnhof ausgestiegen.

Kurzer Trab durch das Städtchen Malbork hin zum Schloss, dass sich am Flussufer ausbreitet. Und "aus-breitet" ist in diesem Zusammenhang die wohl zutreffendste Vokabel: Es dürfte recht schwierig sein, einen ähnlich raumgreifenden, architektonischen Komplex zu finden.

Es hatte sich gelohnt, sehr sogar. Nicht nur ist die Marienburg ein bauliches Wunderwerk aus dem späten Mittelalter, es ist: eine Enzyklopädie der Restaurierungskunst und -geschichte. Wer wie was zerstört hat, wer wie was wieder aufgebaut hat. Das, was wir heute sehen, ist nur das Ergebnis, was momentan am Ende der Ereigniskette steht. Eben: Gegenwart, die sich weiter entwickeln wird.

Samstag, 5. Dezember 2009

Waldluft

Mitten auf der Dluga, kaum ein paar Schritte vom Neptunbrunnen entfernt, breitet sich seit gestern ein dichter, hoher Wald aus. Zumindest könnte man das meinen, wenn man am anderen Ende der Dluga steht und zur Mottlau, am Rathaus vorbei, blickt...
Ein riesiger Weihnachtsbaum, eine meterhohe Tanne wurde dort aufgestellt, und man könnte sich nicht vorstellen, dass in ganz Sibirien ein schöneres Exemplar als dieses hier steht.

Auch das könnte man zumindest meinen, zumindest dann, wenn man den Baum gesehen hat, bevor er geschmückt wurde...
Als ich ein paar Stunden nach der Aufstellung wieder an ihm vorbeigegangen bin - noch etwas Waldluft, Harz schnuppern - war kaum noch etwas von seiner grünen Nadelpracht zu sehen, denn da war er schon behängt mit Lichtergirlanden in Weiß, Rot, Blau, allen Farben, die die Lichtergirlandenkartons zu bieten hatten...
Was kann man machen, es weihnachtet nun mal sehr! Am Sonntag ist Nikolaus, es lässt sich nicht leugnen!

Donnerstag, 3. Dezember 2009

Deutsche Welle

Heute im Café Ferber einer Journalistin von der Deutschen Welle ein Interview gegeben.
Nachdem in der Wärme des Cafés erst einmal Nasen und Hände wieder aufgetaut waren (über Nacht ist in Danzig der Winter ausgebrochen, auf dem Rasen im Park und den Autos auf der Straße lag Rauhreif) und sich die Bedienung dazu überreden ließ, die Musik abzustellen, wurde viel geredet über deutsche und polnische Selbstwahrnehmung und die mögliche Rolle eines "Stadtschreibers".

Denn was kann so eine Stelle (Ein "Amt", wie meine Position auf polnisch heißt) leisten, was bewirken? Dass es in keiner Weise mit der normalen Arbeit eines Schriftstellers zu vergleichen ist, das wusste ich schon kurz nach meiner Ankunft in Danzig.
Hier ging es um mehr, diese Tätigkeit war auch politische Botschaft, war ein Stipendium von politischem Ausmaß.

Auf die Frage hin, was ich denn hier alles getan hätte, und ich alle Verpflichtungen heruntergeschnurrt hatte, machte die Journalistin große Augen und fragte "Und all das in 5 Monaten?"
Ja, sagte ich, all das in 5 Monaten, und sogar ein bisschen zum Roman-Schreiben bin ich gekommen, ab und zu.

Dienstag, 1. Dezember 2009

1. Dezember

Der Dezember zeigt sich gleich am ersten Tag von seiner ungnädigen Seite: Seit heute morgen ist es nicht ganz hell geworden, und in zwei Stunden wird sich das Grau des Tages wieder rasch ins Schwarz des Abends und der Nacht verwandeln.
Noch im Sommer hätte ich nicht geglaubt, dass mir ein Weihnachtsmarkt fehlen würde, der sich durch die Straßen zieht und mit allerhand Licht und Leckerei die Gemüter aufheitert... Meine Freundin Aga berichtete, vor dem Theater würde am Wochenende ein großes Zelt aufgebaut werden, in denen einige Stände sein würden... Es ist einfach nicht dasselbe.

Eine Bekannte ist gestern enerviert nach Warschau abgereist, sie halte es in Danzig manchmal nicht länger aus, und dabei arbeite sie schon seit zwei Jahren in der Stadt und könne sich trotzdem nicht an sie gewöhnen. Nun besucht sie ihre Freunde in der Hauptstadt und genießt die Möglichkeit, jeden Tag in 20 verschiedene Galerien und Vernissagen gehen zu können.

Ich habe wenig Grund zu klagen - eine Stadt von der Größe Danzigs liegt mir viel mehr, und an kulturellem Angebot mangelt es auch hier ganz bestimmt nicht. Ich weiß gar nicht, wie viele Konzerte, Vernissagen und Lesungen ich verpasst habe, weil ich mir in den Kopf gesetzt habe, zu schreiben. Nein, nach Warschau zieht mich nichts!

Sonntag, 29. November 2009

Lächeln!

Heute: Ein grauer, verregneter Tag, gegen drei Uhr begann bereits die Dämmerung...Ein Tag, wie geschaffen, um ihn daheim im Sessel, mit Unmengen Tee und einem guten Buch zu verbringen.
Was aber tun, wenn es einen einfach immer nach draußen treibt, weil man das Gefühl hat, man verpasst etwas in dieser Stadt, wenn man nicht rausgeht und durch die Straßen streift?

Dann heißt es, Regenjacke an, Winterstiefel (hohes Profil!) an und; dem Regen und der Kälte getrotzt. Grübeln kann man ja bekanntlich bei jedem Wetter, und so zog ich, meinen Gedanken nach hängend, durch die Innenstadt, die Kapuze tief in die Stirn gezogen. Sogar die Tauben saßen ganz nass und zerzaust auf den Stufen des Artushofes, es war ein Bild zum Erbarmen.

Meine Laune, so gedämpft sie auch war, schlecht war sie ganz bestimmt nicht; jeder kennt den Gesichtsausdruck, den man hat, wenn man konzentriert ist... Gerade, als ich in die Lektykarska-Straße einbiegen wollte, sprang mir ein älterer, deutscher Tourist in den Weg und quietschte: "Lächeln!"
Es geht nichts über gut gelaunte Zeitgenossen!