Donnerstag, 3. September 2009
Mittwoch, 2. September 2009
Westerplatte
Ich habe das Gefühl, mein ganzes Leben auf der Westerplatte verbracht zu haben - dabei können es gestern höchstens neun Stunden gewesen sein. Ein Leben, gefüllt mit der sich ein letztes Mal aufbäumenden und dabei alles versengenden Sommersonne, fragilen, weißen Plastiksonnenschirmen, Filmleinwänden, von denen Maschinengewehrsalven hinunterdonnern, Kontrollhelikoptern, Durst, Reden, Fernsehen, sehr viel Fernsehen.
Angefangen hatte alles mit einem kleinen Dreh der ARD in der Innenstadt, dann auf einem Kriegsschiff für das polnische Fernsehen, TVP. Dort hatte ich das Vergnügen, Stefan Chwin und seine Frau zu treffen - auf meine Frage hin, wie der Urlaub gewesen sei, hatte er die Augen aufgerissen und gesagt: Ach, wir waren ja bloß in den Kaschuben - wissen Sie denn, was das ist, die Kaschuben?
Natürlich war ich viel zu verdattert, um situationsgemäß zu reagieren - ich habe brav gelächelt, Jawohl, Herr Chwin, ich weiß, was die Kaschuben sind - und später hat der Kameramann Michal von der ARD kommentiert, ich hätte ihm erzählen sollen, dass ich in Berlin wohne: Ob er wisse, was das sei?
Jaja, Schlagfertigkeit ist das, was einem auf dem Nachhauseweg einfällt. Frau Chwin übrigens ganz in weiß mit Hut, queen-like, kirschrote Lippen.
Dann die Niederlegung der blauen Windlichter und die Reden. Kaczynski hat den Eindruck eines etwas gelangweilten Geschichtslehrers auf mich gemacht, Tusk war nicht viel besser, erst Merkel hat mich mit ihrer Emotionalität wieder aufgeweckt, auch Putins Rede fand ich beinahe versöhnlich und somit sehr überraschend.
Ich glaube ja, es ist sehr anstrengend, für das Fernsehen zu arbeiten, vor allem, wenn es für einen gewichtigen Sender wie die ARD ist. Vor allem aber dann, wenn man vor hat, die Stadtschreiberin während der Festivitäten zu drehen, und selbige am Eingang der Westerplatte merken muss, dass irgendjemand im Stadtbüro vergessen hat, die vollständige Einladung zu schicken, man deshalb mit ihr zwei Stunden in praller Sonne vor dem Eingang warten muss, bis der Plastikanhänger, den man sich um den Hals hängt, per Auto nachgeschickt wird, und man erst dann, verspätet, mit der Arbeit beginnen kann.
Nein, ich beneide die Fernsehredakteure nicht. Ich als Stadtschreiberin kann wenigstens alle Phänomene nehmen, wie sie kommen.
Wenn es Chaos ist, nehme ich Chaos, sage, schreibe: Chaos.
www.kulturforum.info:
Danziger Stadtschreiberin in den ARD tagesthemen und im ZDF heute journal
Angefangen hatte alles mit einem kleinen Dreh der ARD in der Innenstadt, dann auf einem Kriegsschiff für das polnische Fernsehen, TVP. Dort hatte ich das Vergnügen, Stefan Chwin und seine Frau zu treffen - auf meine Frage hin, wie der Urlaub gewesen sei, hatte er die Augen aufgerissen und gesagt: Ach, wir waren ja bloß in den Kaschuben - wissen Sie denn, was das ist, die Kaschuben?
Natürlich war ich viel zu verdattert, um situationsgemäß zu reagieren - ich habe brav gelächelt, Jawohl, Herr Chwin, ich weiß, was die Kaschuben sind - und später hat der Kameramann Michal von der ARD kommentiert, ich hätte ihm erzählen sollen, dass ich in Berlin wohne: Ob er wisse, was das sei?
Jaja, Schlagfertigkeit ist das, was einem auf dem Nachhauseweg einfällt. Frau Chwin übrigens ganz in weiß mit Hut, queen-like, kirschrote Lippen.
Dann die Niederlegung der blauen Windlichter und die Reden. Kaczynski hat den Eindruck eines etwas gelangweilten Geschichtslehrers auf mich gemacht, Tusk war nicht viel besser, erst Merkel hat mich mit ihrer Emotionalität wieder aufgeweckt, auch Putins Rede fand ich beinahe versöhnlich und somit sehr überraschend.
Ich glaube ja, es ist sehr anstrengend, für das Fernsehen zu arbeiten, vor allem, wenn es für einen gewichtigen Sender wie die ARD ist. Vor allem aber dann, wenn man vor hat, die Stadtschreiberin während der Festivitäten zu drehen, und selbige am Eingang der Westerplatte merken muss, dass irgendjemand im Stadtbüro vergessen hat, die vollständige Einladung zu schicken, man deshalb mit ihr zwei Stunden in praller Sonne vor dem Eingang warten muss, bis der Plastikanhänger, den man sich um den Hals hängt, per Auto nachgeschickt wird, und man erst dann, verspätet, mit der Arbeit beginnen kann.
Nein, ich beneide die Fernsehredakteure nicht. Ich als Stadtschreiberin kann wenigstens alle Phänomene nehmen, wie sie kommen.
Wenn es Chaos ist, nehme ich Chaos, sage, schreibe: Chaos.
www.kulturforum.info:
Danziger Stadtschreiberin in den ARD tagesthemen und im ZDF heute journal
Montag, 31. August 2009
Zeichen an der Wand
Große Kunst in Zaspa, und außerdem das große Glück, sie mit einem talentierten Künstler zu begutachten: Piotr Szwabe, selbst Schöpfer einiger der interessantesten Wandmalereien. Mural, Monumental Art: Im wahrsten Sinne haushoch von ordinären Grafittis entfernt. Über die ganze Wand ziehen sich sich da spektakuläre Gemälde, furiose Farbmischungen, Szenen, vor denen Menschen immer wieder stehen bleiben und sie bestaunen.
Künstler haben Zaspa in eine gigantische Freiluftgalerie verwandelt. Sonst eine triste, monotone Siedlung mit etwa 14.000 Einwohnern, hat es eine unheimliche, visuelle Aufwertung erfahren. An dem Haus, in dem Walesa einst wohnte, prangt ein gigantisches, pixeliges Walesa-Antlitz. Je weiter man sich davon entfernt, desto besser sichtbar wird sein Gesicht...
Natürlich sind die Malereien nicht auf einem Fleck, man muss sie sich ersuchen, durch Zaspa schlendern, es langsam kennen lernen, sich immer wieder verlaufen in den ausgedehnten Grünflächen. Und dann belohnt werden von einem gigantomanischen Stück Kunst. Die Ältesten sind übrigens über 10 Jahre alt und halten immer noch - die jüngsten stammen aus diesem Jahr und wurden von internationalen Künstlern angefertigt.
Zaspa, ein klassischer Geheimtip. Zu sehen wird übrigens unser Spaziergang und einiges mehr sein am Dienstag, um 21:45 im heutejournal des ZDFs, außerdem ein Beitrag in den Tagesthemen. Es gibt kein Entkommen.
Hier ein sehr informativer Link über Monumental Art:
http://www.monumentalart.eu/01_Historia/galeria.htm
Künstler haben Zaspa in eine gigantische Freiluftgalerie verwandelt. Sonst eine triste, monotone Siedlung mit etwa 14.000 Einwohnern, hat es eine unheimliche, visuelle Aufwertung erfahren. An dem Haus, in dem Walesa einst wohnte, prangt ein gigantisches, pixeliges Walesa-Antlitz. Je weiter man sich davon entfernt, desto besser sichtbar wird sein Gesicht...
Natürlich sind die Malereien nicht auf einem Fleck, man muss sie sich ersuchen, durch Zaspa schlendern, es langsam kennen lernen, sich immer wieder verlaufen in den ausgedehnten Grünflächen. Und dann belohnt werden von einem gigantomanischen Stück Kunst. Die Ältesten sind übrigens über 10 Jahre alt und halten immer noch - die jüngsten stammen aus diesem Jahr und wurden von internationalen Künstlern angefertigt.
Zaspa, ein klassischer Geheimtip. Zu sehen wird übrigens unser Spaziergang und einiges mehr sein am Dienstag, um 21:45 im heutejournal des ZDFs, außerdem ein Beitrag in den Tagesthemen. Es gibt kein Entkommen.
Hier ein sehr informativer Link über Monumental Art:
http://www.monumentalart.eu/01_Historia/galeria.htm
Freitag, 28. August 2009
und doch
...als ob es mich ein wenig versöhnlich stimmen wollte, haben sich heute das Universum und Danzig ganz in meinem Sinne verschworen. Die Postangestellte hat mich mit "kochanie" angeredet, die Blumenfrau mich angelächelt, obwohl ich nichts gekauft habe, sogar die Frau am Käsestand hat sich überschlagen vor Freundlichkeit.
Dann die klammheimliche Frage: Bin ich paranoid, wenn ich bei soviel Güte misstrauisch werde? Vielleicht kommt der Hammer noch geflogen...?
Zum Beispiel morgen und übermorgen, da wird das ZDF hier sein und mich während meines Alltags filmen. Ich habe demnach auch ohne Rücksicht auf Verluste die Tage geplant: Einmal steht Kayakfahren im Rahmen eines Kunst-Happenings an, dann ein Ausflug nach Zaspa, um die Wandmalereien zu begutachten. Volles Programm also. Und eigentlich soll ich einen Roman schreiben. Vielleicht heuere ich demnächst einen Ghostwriter an, talentierte Schreiber kenne ich genug...
Dann die klammheimliche Frage: Bin ich paranoid, wenn ich bei soviel Güte misstrauisch werde? Vielleicht kommt der Hammer noch geflogen...?
Zum Beispiel morgen und übermorgen, da wird das ZDF hier sein und mich während meines Alltags filmen. Ich habe demnach auch ohne Rücksicht auf Verluste die Tage geplant: Einmal steht Kayakfahren im Rahmen eines Kunst-Happenings an, dann ein Ausflug nach Zaspa, um die Wandmalereien zu begutachten. Volles Programm also. Und eigentlich soll ich einen Roman schreiben. Vielleicht heuere ich demnächst einen Ghostwriter an, talentierte Schreiber kenne ich genug...
Donnerstag, 27. August 2009
Die Unruhe vor dem Sturm
Noch fünf Tage bis zum 70. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs. Die Vorbereitungen in Danzig laufen auf Hochtouren, seit einigen Tagen meine ich, eine gewisse Nervosität in der Luft zu spüren. Alle Parks werden eifrig geschoren, Bürgersteige werden geschrubbt, auf öde Flecken Erde Grassamen gestreut. Die Stadt bereitet sich vor. Merkel, Putin, Sarkozy, es wird hoher Besuch erwartet.
Diese Nervosität hat sich auch auf mich übertragen. Heute vormittag bin ich mit einem Fernsehteam von der ARD auf der Westerplatte gewesen, in knapp zwei Stunden wurde ein kleines Gespräch und ein Spaziergang gefilmt. Rund um uns herum wuselten die Bauarbeiter, die Gärtner, die Bühnenarbeiter - die meisten waren gerade damit beschäftigt, riesenhafte Buchstaben an ein Gerüst zu befestigen: Nigdy wiecej wojny, Niemals wieder Krieg.
Ein paar Stunden später dann ein Radiointerview mit dem RBB, dem Rundfunk Berlin-Brandenburg, am Wochenende wird das ZDF da sein und ein Feature drehen - "wie das so ist, Stadtschreiber zu sein".
Darüber sollte ich mir beizeiten noch ein paar Gedanken machen. Ich glaube, es sollte entfernt etwas mit Schreiben zu tun haben. Momentan sind meine Nerven so gespannt, dass ich es gerade einmal schaffe, meine Stelle zu verwalten, ich bin mein eigener Sekretär. Nach dem 1. September, so habe ich mir versprochen, wird wieder geschrieben. Solange heißt es Zähne zusammenbeissen. Dann kann man auch nicht mehr so viel Jammern...
Diese Nervosität hat sich auch auf mich übertragen. Heute vormittag bin ich mit einem Fernsehteam von der ARD auf der Westerplatte gewesen, in knapp zwei Stunden wurde ein kleines Gespräch und ein Spaziergang gefilmt. Rund um uns herum wuselten die Bauarbeiter, die Gärtner, die Bühnenarbeiter - die meisten waren gerade damit beschäftigt, riesenhafte Buchstaben an ein Gerüst zu befestigen: Nigdy wiecej wojny, Niemals wieder Krieg.
Ein paar Stunden später dann ein Radiointerview mit dem RBB, dem Rundfunk Berlin-Brandenburg, am Wochenende wird das ZDF da sein und ein Feature drehen - "wie das so ist, Stadtschreiber zu sein".
Darüber sollte ich mir beizeiten noch ein paar Gedanken machen. Ich glaube, es sollte entfernt etwas mit Schreiben zu tun haben. Momentan sind meine Nerven so gespannt, dass ich es gerade einmal schaffe, meine Stelle zu verwalten, ich bin mein eigener Sekretär. Nach dem 1. September, so habe ich mir versprochen, wird wieder geschrieben. Solange heißt es Zähne zusammenbeissen. Dann kann man auch nicht mehr so viel Jammern...
Dienstag, 25. August 2009
Papiergeburt
Jedes Mal wieder ein befremdend-beglückendes Gefühl, das, was man Tage, Wochen, Monate zuvor am Laptop geschrieben hat, ausgedruckt in den Händen zu halten. Wenn es durch den Datendschungel nur wie ein diffuser Geist geweht ist, hält man es nun leibhaftig in den Händen, und die Reaktion ist immer dieselbe: Ganz schnell durchlesen, was man da eigentlich geschrieben hat, sich selber kontrollieren, als würde man den zahllosen Lektüren am Bildschirm nicht zur Gänze trauen.
Der Eintritt also des Schriftlichen ins Materielle. Es ist, als ob dadurch selbst das Geschriebene seinen Korpus veränderte: Was zu Papier ward, lese ich meistens um vieles kritischer. Papier als Anspruch, als Anmaßung. Manchmal erscheint mir wirklich, dass das, was der Drucker beizeiten ausspeit, nicht identisch ist mit dem, was ich emsig in die Maschine getippt habe. Habe ich Tage zuvor von dem Körper des Schreibenden berichtet, wäre es nun an der Zeit, über den Körper des Geschriebenen nachzudenken.
Je nachdem, wie man ihn kleidet, bettet, so fallen einem unterschiedliche Dinge auf, profitiert man von der unterschiedlichen Darbietungsweise. Am Bildschirm zu überarbeiten, ist so viel dynamischer, ganze Szenen werden da verschoben, im nächsten Augenblick gelöscht, um sie dann wieder einzufügen.
Aber: Dass in dieser Szene eigentlich Herbst sein sollte, und nicht Frühling, das fällt mir dann doch eher auf dem Papier auf. Es ist ruhiger und zwingt zum genauen Lesen.
Der Eintritt also des Schriftlichen ins Materielle. Es ist, als ob dadurch selbst das Geschriebene seinen Korpus veränderte: Was zu Papier ward, lese ich meistens um vieles kritischer. Papier als Anspruch, als Anmaßung. Manchmal erscheint mir wirklich, dass das, was der Drucker beizeiten ausspeit, nicht identisch ist mit dem, was ich emsig in die Maschine getippt habe. Habe ich Tage zuvor von dem Körper des Schreibenden berichtet, wäre es nun an der Zeit, über den Körper des Geschriebenen nachzudenken.
Je nachdem, wie man ihn kleidet, bettet, so fallen einem unterschiedliche Dinge auf, profitiert man von der unterschiedlichen Darbietungsweise. Am Bildschirm zu überarbeiten, ist so viel dynamischer, ganze Szenen werden da verschoben, im nächsten Augenblick gelöscht, um sie dann wieder einzufügen.
Aber: Dass in dieser Szene eigentlich Herbst sein sollte, und nicht Frühling, das fällt mir dann doch eher auf dem Papier auf. Es ist ruhiger und zwingt zum genauen Lesen.
Abonnieren
Posts (Atom)